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Blogbeitrag

Politische „Bewegung an der frischen Luft“ – Versammlungsermöglichung im gesperrten öffentlichen Raum (mit Micha Plöse)

Wenn die Demokratie von Kompromissen leben soll, muss zuvor um politische Alternativen gestritten werden. Da in der Krisenbewältigung vieles zur Einheit strebt, ist besonders die Zivilgesellschaft in all ihrer Vielfältigkeit gefordert, sich auch mit kritischen Positionen Gehör zu verschaffen. Die jüngsten Anti-Corona-Regelungen der Bundesländer drohen aber, ein wichtiges Ventil politischer Meinungskundgabe, die Versammlung unter freiem Himmel (Art. 8 Abs. 2 GG), zu verschließen. Sie sind mit dem Grundgesetz teilweise nicht vereinbar oder bedürfen jedenfalls in ihrer Anwendung einer verfassungskonformen Auslegung. Die Behörden sollten beim Umgang mit Versammlungen ihr Ermessen pragmatisch und versammlungsermöglichend ausüben. Demokratischer Meinungskampf muss auch weiterhin auf die Straße getragen (s. Fraport-Urteil des BVerfG) werden können.

In diesem ersten Teil widmen wir uns dem Stellenwert und den Gewährleistungsbedingungen der Versammlungsfreiheit und bewerten die versammlungsbezogenen Corona-Regelungen der Bundesländer. Der zweite Teil ist praxisorientierter und versucht aufzuzeigen, wie Versammlungen pragmatisch ermöglicht werden können.

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Niemand hat die Absicht die EU nicht zu verlassen

Der einseitige Rücktritt vom Brexit nach der Freigabe durch den EuGH

Der EuGH hat dem Brexit-Drama ein alternatives Ende mit glücklichem Ausgang geschrieben – Art. 50 EUV lässt es zu, die Erklärung der Austrittsabsicht einseitig zurückzunehmen –, das wohl nicht (yet, who really knows?) aufgeführt werden wird. Fantastisch, dass die klagenden schottischen Abgeordneten des UK Parliament jetzt besser über die Folgen und den Kontext ihrer – zunächst verhinderten – Abstimmung über das Austrittsabkommen Bescheid wissen! Die Entscheidung des EuGH ist für das Schicksal des Brexitverfahrens nicht zwingend relevant, indes für künftige Austrittserklärungen unionsrechtlich plausibel sowie rechtspolitisch tragfähig. Wie immer und erst recht bei knapp begründeten Entscheidungen bleiben Fragen offen, insbesondere zu den Grenzen des Revokationsrechts. Weiterlesen →

Studentenfutter. Nicht leicht Verdauliches von EuGH und Ungarn zur Mini-Umsiedlung von Geflüchteten

Die ungarische Regierung pickt sich gern die Rosinen heraus. Mit dieser Begründung blockte Kommissionspräsident Juncker in der letzten Woche den Versuch des ungarischen Premiers Viktor Orbáns ab, der EU 440 Millionen Euro für die Grenzsicherung zu entlocken. Daneben weigert sich Orbán beharrlich, aufgrund eines Ratsbeschlusses 1.294 Geflüchtete aufzunehmen. Diese Zahl muss man sich auf der Zunge zergehen lassen – salopp formuliert „Peanuts“ angesichts der Dimensionen der Migration in den letzten zwei Jahren. Wenig überraschend hat nun der EuGH die Nichtigkeitsklage Ungarns (und der Slowakei) gegen den EU-Umverteilungsbeschluss voll abgewiesen. Obwohl es unbestritten sein dürfte, dass im Studentenfutter Cashewnüsse das Highlight sind, reichte uns der EuGH vom Kirchberg größtenteils Haselnüsse herab und den Klägern eine Lehrstunde, wie man im Unionsrecht juristisch argumentiert.

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Der frisierte Gleichheitssatz

Der Männerzopf eines Wehrdienstleistenden muss ab – selbst wenn Soldatinnen lange Haare tragen dürfen. Das entschied der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts im Dezember des letzten Jahres. Nun sind auch die Gründe der Entscheidung verfügbar. Nachdem das Truppendienstgericht Süd 2004 den so genannten Haarerlass für „schlechterdings unvertretbar“ hielt und das Bundesverwaltungsgericht 2006 bei Polizisten gepflegte lange Haare nicht mehr als „nonkonformistisch“ einstufte, war ich gespannt, wie der Leipziger Senat (zwei Richterinnen und ein Richter) den Haarerlass überhaupt noch rechtfertigen kann.

Das entscheidende Argument des Senats ist, dass es sich bei der Ausnahme vom Verbot, lange Haare zu tragen, um eine Frauenfördermaßnahme nach Art. 3 Abs. 2 S. 2 des Grundgesetzes und § 1 Abs. 1 S. 2 Bundesgleichstellungsgesetz handelt (Rn. 66). Männliche Soldaten hätten keinen Anspruch darauf, dass diese Ausnahme auf sie erstreckt wird. Intuitiv leuchtet mir das nicht ein, gesellschaftlich wie verfassungsrechtlich. Aber warum genau nicht? Weiterlesen →

Zahlendämmerung

Gerichte legen das Recht nach normativen Kriterien aus und wenden es an, sogar bei Verfassungsgerichten in zigtausend Fällen. Bislang bewertete die kommentierende Rechtswissenschaft, ob die Gerichte richtig lagen. Ein relativ neuer Trend – jedenfalls in der hiesigen Rechtswissenschaft – will nicht bewerten, sondern erfasst, wie aktivistisch, wiemoralisch, wie wortlautfixiert ein Gericht urteilt. Aber auch dies war und ist ein Anspruch vieler in der Rechtswissenschaft – nur verließ man sich in der Vergangenheit auf das individuelle Expertenurteil. Der neue Genosse der Rechtswissenschaft ist nun die Zahl: Z.B. sollen uns die Werte 0,7, 0,2, 0,5 sagen, wie es um die aktivistische Einstellung eines Gerichts oder die Interpretationsoffenheit einer Verfassung bestellt ist. Woher kommt das Bedürfnis nach der Zahl? Weiterlesen →